Treffen in der Milchbar
Praga

(This is an ongoing project about the district Praga in Warsaw, Poland and how it is changing. For now the text is available only in German.)

Praga ist ein Stadtteil Warschaus, liegt rechts der Weichsel und ist ein bisschen wie aus einer früheren Zeit.

Nachdem die Polnische Untergrund Armee 1944 im Warschauer Aufstand dreiundsechzig Tage gegen die Deutschen Besatzer durchgehalten hatte, schaffte es die Wehrmacht schließlich ihn niederzuschlagen und zerstörte mehr als achtzig Prozent der Stadt. Allerdings nicht auf der rechten Seite des Flusses, da der östliche Teil Warschaus bereits unter der Kontrolle der sowjetischen Roten Armee war. Die Gebäude des Arbeiterbezirks Praga blieben unversehrt.

Beschäftigt mit dem Wiederaufbau der Innenstadt auf der linken Uferseite lagen weder die Instandhaltung noch die Renovierung der Vorkriegshäuser im Fokus der nachfolgenden kommunistischen Regierung und deshalb haben bis heute einige von ihnen keine Bäder, warmes Wasser oder eine Zentralheizung.

1989 wurde Polen wieder unabhängig und durchlebte eine Transformation vom kommunistischen Regime zur demokratischen Republik. Der Ruf des Stadtteils Praga verschlechterte sich in dieser Zeit zunehmend. Die inzwischen in die Jahre gekommenen Gebäude wurden maroder und niemand kümmerte sich darum. Es galt dort als gefährlich für Fremde. Anders herum überschritten auch seine BewohnerInnen, die teilweise unter extrem schlechten Bedingungen lebten, kaum die Außengrenzen Pragas. Es entstand eine eigene Welt, in der die Zeit stehen blieb, eingeschlossen in einem sich schnell entwickelnden Warschau.

Inzwischen hat sich auch hier vieles verändert. Wie man es oft bei Gentrifizierungsprozessen gesehen hat, kamen von den günstigen Mieten und dem Charme der alten Industriegebäude angezogenene, mutige Kreative und AnlegerInnen und traten eine Lawine der Aufwertung los. Praga hat heute das Potential zu einem der angesagtesten Viertel Europas.

Ein typischer Gentrifizierungsablauf aus Aufwertung, Sanierung und Verdrängung, wie etwa in Berlin, scheint hier allerdings etwas anders zu verlaufen. Zumindest scheint es nicht so schnell zu gehen. In Polen ist es zum Beispiel üblich in Eigentums- und nicht in Mietwohnungen zu leben und nur fünf Prozent der Wohnungen in Praga stehen überhaupt auf dem Mietmarkt zur Verfügung. So entscheiden die jeweiligen BesitzerInnen selbst, ob sie sanieren wollen und Mieterhöhungen und daraus resultierende Verdrängungen sind zumindest bei den zahlreichen PrivatbesitzerInnen nicht der Fall.

Trotzdem ist der Wandel mehr als deutlich. Ein Spaziergang durch Praga in diesen Tagen ist wie ein Wandern auf einem Flickenteppich zwischen sehr Alt, sehr Neu und sehr vielen Baustellen. Es existieren viele freie Flächen, die teilweise deshalb entstanden sind, weil zwischen den massiven Ziegelgebäuden früher Holzhäuser standen, die aufgrund ihrer Bauweise nicht überlebt haben. In diesen freien Flächen sehen zunehmend mehr InvestorInnen wertvolles Bauland. So entstehen viele neue Wohnkomplexe zu viel höheren Kauf- und Mietpreisen als für die Gegend üblich, was eine neue Generation von BewohnerInnen anzieht. Doch die Ureingesessenen, die noch dort leben, bei denen scheinen die Uhren noch immer etwas langsamer zu ticken.

Zu den Überbleibseln einer anderen Zeit zählen auch die sogenannten Milchbars, im Polnischen »Bar Mleczny«. Dort kann man für wenig Geld ein kleines Menü mit vorwiegend traditioneller Küche bekommen; ein Angebot, was sich vor allem um die Mittagszeit großer Beliebtheit erfreut. Die oft von älteren Damen geführten Mini-Restaurants waren früher sehr verbreitet, heute gibt es nur noch eine Hand voll in Praga. Womöglich zählen sie auch zu den einzigen Orten im Bezirk, an denen sich noch alle Generationen aus allen Bevölkerungsschichten begegnen.


Here you go back to the homepage.
If you are into facts and bureaucracy have a look at my impressum.